Hallo meine Lieben. Ihr fehlt mir -ganz ehrlich – ihr fehlt mir sehr, auch wenn ich mich leider nicht so oft bei euch melde. Ich kann es selber kaum glauben, dass es bereits Mitte Juni ist. Seit gut sechs Monaten bin ich nun hier – meiner neuen Heimat Südafrika. Ich fürchte mich teilweise Berichte zu schreiben, da ich gar nicht weiß wo ich anfangen soll zu erzählen. Aber ich versuche es. :) Die Zeit fliegt – sicherlich wie immer, aber ich habe das Gefühl, dass die Zeit noch schneller verfliegt. Meine Tage sind bis oben hin verplant und ich finde nur wenig Zeit, um wirklich etwas zu unternehmen. Mein Studium würde ich mehr als eine Lebensaufgabe bezeichnen. Zwischen fünf und sechs Uhr stehe ich jeden Tag auf, um noch etwas zu arbeiten bevor ich gegen spätestens sieben Uhr nach Bellville fahre, wo mein Campus ist. Von acht bis ein Uhr habe ich Vorlesungen und dann bis abends Gruppenarbeiten. Der Unterricht macht immer noch unheimlich viel Spaß – ich lerne ungemein Viel über, aufkommende Trends, Probleme, Lösungsansätze aber vielmehr noch lerne ich über mich selber. Durch die Rückmeldungen meiner Lehrer und meiner Kollegen, meinen Erfahrungen in Gruppenarbeiten. Ich merke, dass ich mehr und mehr wachse und auch selbstbewusster werde. Ich bin mit die Jüngste im Kurs, eine der wenigen Frauen und auch noch eine Ausländerin. Trotzdem werde ich von allen Seiten immens gefördert und unterstützt – als Klassensprecherin oder als Kursbeste (keine Ahnung wie ich das hinbekommen habe). :)
Vielmehr noch habe ich einen tollen Freundeskreis aufgebaut – der primär aus Männern besteht, da die Frauenquote doch recht gering ist. Mit Freunden aus Deutschland, Namibia und natürlich Südafrika. Ich sehe selber, dass ich mir meiner Rolle bewusster werde – als Frau, als Repräsentantin einer Kultur, als eine Person, die etwas bewirken und verändern kann. Trotz der vielen Arbeit habe ich fast nie schlechte Laune – ich genieße jede einzelne Sekunde und sehe das Studium als ein sehr großes Geschenk an! Auch bin ich jetzt schon recht sentimental, wenn ich an das Ende des Studiums denke, denn ich weiß das Jahr wird schneller zu Ende sein als ich es begreifen werde.
Am 22. Juni fliege ich mit ein paar Kommillitonen und Lehrern nach Indien. Erst nach Hyderbadad im Süden von Indien und anschließend nach Mumbai. Dies ist Teil unseres Studiums und wir werden dort verschiedene Unternehmen besuchen und mehr über die aufstrebende Wirtschaftsmacht Indien lernen. Ich durfte meinen Aufenthalt in Indien um eine Woche verlängern und werde die Zeit nutzen, um etwas umherzureisen aber vor allem um etwas in einem Ashram herunterzukommen, Yoga zu machen und einfach mal nichts zu tun. :)
Kapstadt verzaubert mich immer noch wie vom ersten Tag. Wenn ich morgens mit dem Auto Richtung Bellville fahre, fahre ich direkt auf den Tafelberg zu, der manchmal in Wolken eingehüllt und im nächsten Moment von einem strahlend blauen Himmel umgeben ist. Die extreme Armut, die mir primär begegnet wenn ich in den Viertel von Schwarzen bzw. Farbigen komme gepaart mit dem Reichtum der Weißen – es zerreißt und motiviert mich gleichzeitig – aber vielmehr bringt es mich dazu mich noch mehr zu engagieren um eine Veränderung herbeizuführen.
Es wird gerade Winter hier was viel Regen, Sturm, Wind und Kälte bedeutet (letzte Woche gab es Hagel und die kleinen Kinder sind herumgerannt als ob Schnee liegen würde). In Kapstadt gibt es sehr viele Obdachlose und somit ist die Situation natürlich sehr schlimm, da diese Menschen wirklich ohne Hab und Gut auf der Straße, in Büschen schlafen. Ich selber friere in meinem Zimmer, da es keine Heizungen gibt. Aktuell schwanken die Temperaturen zwischen 8-17 Grad, manchmal mit doch meistens ohne Sonne.
Wenn ich morgens zur Uni fahre, stehen Menschen auf der Autobahn bzw. laufen auf der Autobahn – die Welt hier erscheint teilweise so irreal! Aber leider wird die herrschende Kriminalität vor Ort immer greifbarer. Vor zwei Wochen wurde in unser Haus eingebrochen. Die Einbrecher kamen durch ein kleines Fenster in unserer Küche und haben alle elektronischen Wertgegenstände mitgenommen. In der Nacht habe ich mich in mein Zimmer eingeschlossen, da die Einbrecher ihre Taschen zurückgelassen hatten und wir am gleichen Tag herausgefunden haben, dass in unserem Garten Menschen übernachtet haben, da wir Essensreste und menschlichen Kot gefunden haben. Meine Nachbarin wurde in der gleichen Woche morgens um acht Uhr von einem Mann mit einem Messer bedroht und überfallen als sie am Weg zur Arbeit war. Mir wird mehr und mehr bewusst, dass es keinen Schutz gibt – dass die Kriminalität hier jeden trifft. Wenn ich morgens aus der Tür gehe, laufe ich schnell und mit Schlüssel als Abwehr in der Hand, damit ich sobald ich im Auto bin gleich die Türen versperren kann. Kein Fenster, keine Tür wird geöffnet wenn es keine Sicherheitsgitter gibt. Es sind viele Kleinigkeiten doch merke ich extrem wie ich mein Verhalten angepasst habe. Heute hatte ich einen Autounfall als mir beim Abbiegen ein anderes Auto in die Seite gefahren ist. Ich war geschockt doch trotzdem habe ich als allererstes mein Auto versperrt, da mein Gedanke war, dass der Unfall initiiert war um mich auszurauben. Letztens wurde mir mein Handy aus der Hand gestohlen als ich am Telefonieren war. Es sind so viele Sachen, die unfassbar erscheinen aber sie sind hier Realität.
Nichtsdestotrotz überwiegen die positiven Seiten: die Menschen, der Fokus auf das Leben und die wahren Werte, die scheinbar nie ausgehende Hoffnung, die Lebensfreude, die wunderschöne Umgebung und Natur! Ich genieße jede Sekunde und wünsche mir immer wieder, dass ihr mit mir sein könntet: um meine Freunde kennen zulernen (Per – aka mein Bruder, Jens – mit seinen Geschichten aus Namibia, Sheray – mit ihrem Ehrgeiz und Glauben an das Gute, JB – mit seinem unendlich trockenen Humor und noch viele mehr :)) den Blick auf das Meer und das Fußballstadium, wenn ich morgens aufwache - um all die schönen aber manchmal auch traurigen Momente und Augenblicke mit mir zu teilen.
Noch greifbarer wird das Leben dadurch, dass ich Freunde aus ganz verschiedenen Schichten habe: die typischen weißen Südafrikanern aus meist gutem Elternhaus, gebildet und erfolgreich. Gleichzeitig Freunde, die in Townships aufgewachsen sind und sich hochgearbeitet haben. Mit Sheray zum Beispiel, meiner besten Freundin hier, gehe ich in ärmere Viertel zum Einkaufen oder Kaffeetrinken, wo keine anderen weißen Personen unterwegs sind. Alleine sollte ich mich nicht in solche Viertel trauen, doch mit ihr zusammen ist es eine wundervolle Erfahrung, wenn der Verkäufer durch das Geschäft die etwas korpulentere Schwarze als ‚Mama‘ bezeichnet und es mir erscheint, dass alle viel beschwingter und glücklicher – jedoch ‚einfacher‘ wirken. Vor einigen Wochen habe ich für ein Rotary Projekt in ein Township gemusst. Da es in den Townships keine Straßen gibt, habe ich mich natürlich verirrt und stand mit meinem großen, weißen Mercedes auf einmal inmitten von DuNoon, eines der größten Townships hier. Blechhütten, kaputte Autos, Hühner und viele Menschen um mich herum. Und in diesem Moment habe ich etwas Angst bekommen, was mich selber am Meisten überrascht hat. Weil die Menschen hier so verzweifelt sind, wirkt jede Handlung unberechenbar und ich merke selber, dass mein Vertrauen sinkt. Wenn ich von diesen Erlebnissen meinen weißen Freunden hier erzähle, schütteln sie meistens nur ihren Kopf und fragen mich, warum ich so etwas mache. Einmal, da es in ihren Augen viel zu gefährlich erscheint und auf der anderen Seite, da sie mein Interesse daran nicht verstehen können.
Bitte verzeiht mir, wenn ich mich nicht so oft melde, doch denke ich viel öfters an euch als ihr euch vorstellen könnt! Und bitte verzeiht mir, ich merke dass mein Deutsch etwas nachlässt (ich merke es beim Schreiben) – ich schiebe es auf meine Unfallfolgen von heute (halbsowild: Auto ist zwar nicht mehr fahrbar, da die Hinterachse hin ist, doch habe ich eine gute Versicherung + nur einen kleinen Schock mit etwas Nacken- und Rückenschmerzen).
Fühlt euch ganz fest umarmt!
P.S. Trotz zweifachem Handy-Diebstahls ist meine Rufnummer noch immer dieselbe (die südafrikanischen Handyanbieter haben ihre Produkte an das Land angepasst und man kann seine Handynummer so oft man möchte auf eine neue SIM-Karte transferieren – dass nenne ich mal ein innovatives Geschäftsmodel J) 0027 (0) 71 233 1074.
Eure
Anja
Vielmehr noch habe ich einen tollen Freundeskreis aufgebaut – der primär aus Männern besteht, da die Frauenquote doch recht gering ist. Mit Freunden aus Deutschland, Namibia und natürlich Südafrika. Ich sehe selber, dass ich mir meiner Rolle bewusster werde – als Frau, als Repräsentantin einer Kultur, als eine Person, die etwas bewirken und verändern kann. Trotz der vielen Arbeit habe ich fast nie schlechte Laune – ich genieße jede einzelne Sekunde und sehe das Studium als ein sehr großes Geschenk an! Auch bin ich jetzt schon recht sentimental, wenn ich an das Ende des Studiums denke, denn ich weiß das Jahr wird schneller zu Ende sein als ich es begreifen werde.
Am 22. Juni fliege ich mit ein paar Kommillitonen und Lehrern nach Indien. Erst nach Hyderbadad im Süden von Indien und anschließend nach Mumbai. Dies ist Teil unseres Studiums und wir werden dort verschiedene Unternehmen besuchen und mehr über die aufstrebende Wirtschaftsmacht Indien lernen. Ich durfte meinen Aufenthalt in Indien um eine Woche verlängern und werde die Zeit nutzen, um etwas umherzureisen aber vor allem um etwas in einem Ashram herunterzukommen, Yoga zu machen und einfach mal nichts zu tun. :)
Kapstadt verzaubert mich immer noch wie vom ersten Tag. Wenn ich morgens mit dem Auto Richtung Bellville fahre, fahre ich direkt auf den Tafelberg zu, der manchmal in Wolken eingehüllt und im nächsten Moment von einem strahlend blauen Himmel umgeben ist. Die extreme Armut, die mir primär begegnet wenn ich in den Viertel von Schwarzen bzw. Farbigen komme gepaart mit dem Reichtum der Weißen – es zerreißt und motiviert mich gleichzeitig – aber vielmehr bringt es mich dazu mich noch mehr zu engagieren um eine Veränderung herbeizuführen.
Es wird gerade Winter hier was viel Regen, Sturm, Wind und Kälte bedeutet (letzte Woche gab es Hagel und die kleinen Kinder sind herumgerannt als ob Schnee liegen würde). In Kapstadt gibt es sehr viele Obdachlose und somit ist die Situation natürlich sehr schlimm, da diese Menschen wirklich ohne Hab und Gut auf der Straße, in Büschen schlafen. Ich selber friere in meinem Zimmer, da es keine Heizungen gibt. Aktuell schwanken die Temperaturen zwischen 8-17 Grad, manchmal mit doch meistens ohne Sonne.
Wenn ich morgens zur Uni fahre, stehen Menschen auf der Autobahn bzw. laufen auf der Autobahn – die Welt hier erscheint teilweise so irreal! Aber leider wird die herrschende Kriminalität vor Ort immer greifbarer. Vor zwei Wochen wurde in unser Haus eingebrochen. Die Einbrecher kamen durch ein kleines Fenster in unserer Küche und haben alle elektronischen Wertgegenstände mitgenommen. In der Nacht habe ich mich in mein Zimmer eingeschlossen, da die Einbrecher ihre Taschen zurückgelassen hatten und wir am gleichen Tag herausgefunden haben, dass in unserem Garten Menschen übernachtet haben, da wir Essensreste und menschlichen Kot gefunden haben. Meine Nachbarin wurde in der gleichen Woche morgens um acht Uhr von einem Mann mit einem Messer bedroht und überfallen als sie am Weg zur Arbeit war. Mir wird mehr und mehr bewusst, dass es keinen Schutz gibt – dass die Kriminalität hier jeden trifft. Wenn ich morgens aus der Tür gehe, laufe ich schnell und mit Schlüssel als Abwehr in der Hand, damit ich sobald ich im Auto bin gleich die Türen versperren kann. Kein Fenster, keine Tür wird geöffnet wenn es keine Sicherheitsgitter gibt. Es sind viele Kleinigkeiten doch merke ich extrem wie ich mein Verhalten angepasst habe. Heute hatte ich einen Autounfall als mir beim Abbiegen ein anderes Auto in die Seite gefahren ist. Ich war geschockt doch trotzdem habe ich als allererstes mein Auto versperrt, da mein Gedanke war, dass der Unfall initiiert war um mich auszurauben. Letztens wurde mir mein Handy aus der Hand gestohlen als ich am Telefonieren war. Es sind so viele Sachen, die unfassbar erscheinen aber sie sind hier Realität.
Nichtsdestotrotz überwiegen die positiven Seiten: die Menschen, der Fokus auf das Leben und die wahren Werte, die scheinbar nie ausgehende Hoffnung, die Lebensfreude, die wunderschöne Umgebung und Natur! Ich genieße jede Sekunde und wünsche mir immer wieder, dass ihr mit mir sein könntet: um meine Freunde kennen zulernen (Per – aka mein Bruder, Jens – mit seinen Geschichten aus Namibia, Sheray – mit ihrem Ehrgeiz und Glauben an das Gute, JB – mit seinem unendlich trockenen Humor und noch viele mehr :)) den Blick auf das Meer und das Fußballstadium, wenn ich morgens aufwache - um all die schönen aber manchmal auch traurigen Momente und Augenblicke mit mir zu teilen.
Noch greifbarer wird das Leben dadurch, dass ich Freunde aus ganz verschiedenen Schichten habe: die typischen weißen Südafrikanern aus meist gutem Elternhaus, gebildet und erfolgreich. Gleichzeitig Freunde, die in Townships aufgewachsen sind und sich hochgearbeitet haben. Mit Sheray zum Beispiel, meiner besten Freundin hier, gehe ich in ärmere Viertel zum Einkaufen oder Kaffeetrinken, wo keine anderen weißen Personen unterwegs sind. Alleine sollte ich mich nicht in solche Viertel trauen, doch mit ihr zusammen ist es eine wundervolle Erfahrung, wenn der Verkäufer durch das Geschäft die etwas korpulentere Schwarze als ‚Mama‘ bezeichnet und es mir erscheint, dass alle viel beschwingter und glücklicher – jedoch ‚einfacher‘ wirken. Vor einigen Wochen habe ich für ein Rotary Projekt in ein Township gemusst. Da es in den Townships keine Straßen gibt, habe ich mich natürlich verirrt und stand mit meinem großen, weißen Mercedes auf einmal inmitten von DuNoon, eines der größten Townships hier. Blechhütten, kaputte Autos, Hühner und viele Menschen um mich herum. Und in diesem Moment habe ich etwas Angst bekommen, was mich selber am Meisten überrascht hat. Weil die Menschen hier so verzweifelt sind, wirkt jede Handlung unberechenbar und ich merke selber, dass mein Vertrauen sinkt. Wenn ich von diesen Erlebnissen meinen weißen Freunden hier erzähle, schütteln sie meistens nur ihren Kopf und fragen mich, warum ich so etwas mache. Einmal, da es in ihren Augen viel zu gefährlich erscheint und auf der anderen Seite, da sie mein Interesse daran nicht verstehen können.
Bitte verzeiht mir, wenn ich mich nicht so oft melde, doch denke ich viel öfters an euch als ihr euch vorstellen könnt! Und bitte verzeiht mir, ich merke dass mein Deutsch etwas nachlässt (ich merke es beim Schreiben) – ich schiebe es auf meine Unfallfolgen von heute (halbsowild: Auto ist zwar nicht mehr fahrbar, da die Hinterachse hin ist, doch habe ich eine gute Versicherung + nur einen kleinen Schock mit etwas Nacken- und Rückenschmerzen).
Fühlt euch ganz fest umarmt!
P.S. Trotz zweifachem Handy-Diebstahls ist meine Rufnummer noch immer dieselbe (die südafrikanischen Handyanbieter haben ihre Produkte an das Land angepasst und man kann seine Handynummer so oft man möchte auf eine neue SIM-Karte transferieren – dass nenne ich mal ein innovatives Geschäftsmodel J) 0027 (0) 71 233 1074.
Eure
Anja